Niebe (Veranstaltungsplaner & DJ)
„Es gibt genug Leute in der Kulturbranche, die nicht nur finanziell ruiniert sind, sondern auch psychisch.“

Als ich die Idee zu meinem neuen Projekt hatte, musste ich sofort an eine Person denken, die ich dafür interviewen wollte und die mir sicherlich beim Herstellen von ein paar Kontakten behilflich sein könnte: Niebe.

Der gebürtige Leipziger ist seit über 20 Jahren in seiner Heimatstadt in den unterschiedlichsten Bereichen in der Kulturbranche aktiv. Hauptberuflich als Veranstaltungsplaner tätig, ist er nebenbei noch als DJ in den angesagtesten alternativen Locations, wie z.B. der Moritzbastei, dem Darkflower oder dem Black Label unterwegs und plant bzw. veranstaltet Konzerte, unter anderem mit den Metalheadz Leipzig. Seine bevorzugten Bereiche sind dabei Rock & Metal, aber es darf auch gerne mal 90’s oder Trash sein.

Zum Interview traf ich mich mit ihm im Black Label.

 


R: Hallo Niebe, freut mich, dass das heute geklappt hat. Zuerst mal um dich ein wenig vorzustellen: Wie kam es denn dazu, dass du das tust, was du heute tust?

N: Ich war schon als Jugendlicher musikbegeistert und habe angefangen mich auf Geburtstagen von Freunden und Bekannten um die Musik zu kümmern. Das ging mit ca. 17 Jahren los und mit 18 hatte ich dann schon meinen ersten größeren Auftritt im Jugendclub Gaschwitz mit über 150 Leuten. Außerdem bin ich durch die Liebe zur Musik sehr viel mit Freunden auf Konzerte gefahren und wir haben dort schnell Musiker und Bands kennengelernt sowie andere Leute, die sich in die Szene involvieren. Dann haben wir gesagt, dass wir das auch mal selbst machen wollen und haben im Jugendclub Markkleeberg, „Spinne“ hieß der, dann die ersten Konzerte hochgezogen. Schnell haben wir gemerkt, dass das auch in Markkleeberg funktioniert. Das hat mit einem kleinen Leistungsdruck, weil das Publikum immer mehr gefordert hatte, punktuell berufliche Türen geöffnet. Ich habe eigentlich noch andere Sachen gelernt, habe auf der Baustelle und im Pflegeheim gearbeitet, was ich dann aber 2016 komplett an den Nagel gehangen habe, um mich nur noch um die Musik zu kümmern.

R: Und hast du das jemals bereut?

N: Nein, ich kann mich wirklich nicht beklagen. Ich bin nie reich geworden, aber ich mache etwas, in dem mein volles Herzblut steckt und, wie ich behaupten würde, mit einem idealistischen Hintergrund. Ich habe genug Projekte angefangen, bei denen ich wusste, dass das finanziell nicht klappt, aber solange es Spaß macht oder die Kultur bereichert…

R: Gute Einstellung. Aber kommen wir mal zum Elefanten im Raum: Thema Corona. Wir sind jetzt hier in einer Location in der du eigentlich regelmäßig aufgelegt hast und was auch ansonsten quasi ein 2. Wohnzimmer für dich war und niemand außer uns ist hier. Wie fühlt sich das gerade für dich an?

N: Leer! Ganz klar leer und traurig. Ich fahre oft dran vorbei, die Fenster sind zu, das Licht ist aus, die Stühle sind nicht draußen. Ich habe hier zwar regelmäßig auf den Metalpartys aufgelegt, aber das hat ja nichts mit meinem Job zu tun, sondern das hier im Label ist reines Hobby.

R: Und wie geht’s dir ansonsten in der aktuellen Situation? Was machst du so?

N: Ich habe mir geschworen mich um einige private Dinge zu kümmern, wie Familie und Umfeld und mal Sachen in Ordnung zu bringen, die man die letzten Jahre nicht geschafft hat. Das geht mit Renovierungsarbeiten los oder den Garten ausbauen. Und dann habe ich mir noch neue Hobbies angeeignet, wie zum Beispiel Schrauben von Elektrotechnik. Ansonsten habe ich noch versucht meine Infrastruktur auszubauen. Außerdem mach ich alle zwei Wochen eine digitale Party auf Twitch mit jeweils unterschiedlichen Themen. Des Weiteren gehen wir davon aus, oder hoffen es zumindest, dass man im Sommer wenigstens wieder Open-Air-Veranstaltungen machen kann und da geht es jetzt in die heiße Phase, dass wir mit den Metalheadz auch wieder mindestens ein Open-Air-Festival planen.

R: Sehr cool. Kannst du dazu denn schon mehr verraten?

N: Nein. Ich kann bisher nur sagen, dass es im Spätsommer oder Frühherbst in Leipzig stattfinden soll und sich eventuell an das Projekt letztes Jahr anlehnen soll, Heavy Rock Total und vielleicht noch einen 2. Tag, der dann ein wenig anders aussehen wird.

R: Ich habe auch mitbekommen, dass du dir letztes Jahr ein 50 Jahre altes Feuerwehrauto gekauft hast, welches du als Disco und Bar umgebaut hast. Wie kam es denn zur Idee der Feierwehr?

N: Das war einfach ein Blick in die Zukunft. Zu dem Zeitpunkt und ja auch jetzt, weiß eigentlich keiner, wie es wirklich weitergeht und wenn im Sommer dieses Jahr nicht getanzt oder getrunken werden darf, wäre das meine persönliche Rettung, um wenigstens draußen etwas machen zu dürfen.

R: Was nervt dich denn an der aktuellen Situation momentan am meisten?

N: Das habe ich vorhin tatsächlich erst mit einem Politikwissenschaftler besprochen, ob man denn auch mal sauer sein darf. Am meisten nervt mich, dass die Bundesregierung hilflose Regelungen trifft, die zwar angedacht sind um vielleicht Zahlen nicht explodieren zu lassen, aber ringsherum geht alles den Bach runter und die Leute sind mittlerweile wirklich auf Anschlag. Es ist natürlich nicht so, dass ich da irgendetwas leugne oder so eine Scheiße. Ich bin auch nicht gegen Maßnahmen. Aber ich würde gerne in die Richtung gehen mehr zu testen, um gesunden Menschen die Möglichkeit zu geben, mit harten Regeln, wieder etwas mehr Normalität in ihr Leben zu bekommen. Logischerweise bin ich mir trotzdem völlig im Klaren, dass Discotheken und Konzerte momentan so nicht möglich sind.

R: Ich glaube auch, das werden die meisten, auch wenn sie betroffen sind, verstehen, dass es momentan relativ wenig Sinn ergibt, aber so wie es aktuell läuft, ist es halt auch extrem beschissen.

N: Richtig. Was mich weiterhin stört, ist dass es viel zu viele Menschen gibt, die durchs Hilfsraster durchgefallen sind, weil sie z.B. teilangestellt waren oder komplett alleine und bestimmte Kriterien nicht erfüllt haben und so gibt es genug Leute in der Kulturbranche, die nicht nur finanziell ruiniert sind, sondern auch psychisch.

R: Das hast du leider vollkommen recht.

N: Ich zum Beispiel musste alle meine Versicherungen, wie Lebensversicherung und private Altersvorsorge, aufgeben um mir etwas zu essen kaufen zu können. Dafür habe ich mein Leben lang gespart. Ich werde nach Corona sehr viel arbeiten müssen um die finanziellen Verluste auszugleichen. Ohne mein Umfeld und meine Familie wäre ich jetzt vermutlich einfach Weltenbummler und hätte den Scheiß hinter mir gelassen.

R: Kommen wir zu einem bisschen anderen Thema: Was denkst du denn wie sich die alternative Szene nach Corona verändern wird? Oder gibt es in deinen Augen vielleicht schon irgendwelche Veränderungen?

N: Meine größte Angst ist, dass Szene-Hotspots wegfallen, welche durch nicht relevante neue Dinge ersetzt werden. Die Nachfrage und die Vorlieben der Leute werden sich wohl nicht ändern. Und sobald es wieder losgeht, das merkt man ja auch gerade schon an warmen Tagen zum Beispiel in den Parks, werden die Leute sich weiterhin treffen und stehen ansonsten auch online gut in Verbindung. Die Leute sind hungrig, die Nachfrage wird danach auf jeden Fall wieder da sein. Wir können nur alle hoffen, dass jeder irgendwie unterstützt, wenn die Möglichkeit irgendwie da ist.

R: Lass uns einfach mal ein wenig in Erinnerungen schwelgen, damit wir hier nicht die ganze Zeit über negative Dinge reden müssen. Deine Partys sind ja oft legendär. Ich erinnere mich da zum Beispiel an die ganzen Feiereien im 4Rooms mit den unterschiedlichsten Mottos, wie die Skeletors-Rock- oder Bud-Spencer-Partys. Was macht für dich eine gute Party aus?

N: Zu allererst ist es wichtig, dass grundsätzlich jeder kommen und feiern darf, so wie er ist und wer er ist, unabhängig von Aussehen, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder Vorlieben. Zu meinen Partys gehört eine gewisse Weltoffenheit. Dann ist die Wahl der Location einer der absolut wichtigsten Punkte. Zu steril ist nicht schön. Außerdem muss das Publikum ganz klar merken, dass es nicht veralbert wird oder sich jemand eine goldene Nase damit verdienen möchte, sondern dass ihm einfach etwas geboten werden soll. Und die Musikauswahl ist natürlich auch noch wichtig.

R: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du auf deinen Veranstaltungen schon die verrücktesten Dinge erlebt hast. Was war denn das Bekloppteste, das du je erlebt hast?

N: Ich habe die verschiedensten Sachen erlebt. Eine der Situationen, die ich nie vergessen werde, war das Konzert mit Manos im UT Connewitz, als jemand auf Bühne gerannt kam und hat sich kopfüber in eine Mülltonne geworfen, ist damit dann irgendwie damit umgefallen, hat sich auf allen Vieren aufgerichtet und ist dann mit der Mülltonne auf dem Kopf über die komplette Bühne und hat dabei einfach nicht gemerkt, dass er schon am Bühnenrand langlief und ich konnte gerade so noch mit einem Hechtsprung den Typen umreißen, damit er da nicht die 1,5 Meter runterfällt und sich dabei alles bricht. Das war großartig. Außerdem habe ich mal Technik aufgebaut und war da in einem hinteren Floor, der eigentlich noch abgeschlossen war und als ich da bisschen genauer geschaut hab, hat sich da ein Pärchen in der Ecke amüsiert. Ich war extrem verlegen und die haben gefragt „Na, ist das ok?“ und ich meinte dann „Macht mal. Ich mach hier mal meine Arbeit und baue weiter auf.“ Das war auch sehr wild. Und natürlich muss man auch zugeben, gab es diverse Alkoholausfälle auf den Partys…

R: Da schließ ich mich explizit nicht aus…

N: (lacht) Ja. Aber witzig sind so die Sachen, die wir nach den Partys gefunden haben. Da fragt man sich, wie kann das jemand verlieren? Das geht z.B. mit einem einzelnen Schuh los. Da muss ja dann jemand ohne Schuh nach Hause gelaufen sein. Man hat so viel, so oft gelacht und Lachanfälle bekommen, weil man irgendwas gesehen hat und sich nur dachte „Ach du scheiße! Was ist denn da los?“, aber das fällt einem dann so spontan nicht ein.

R: Ich danke dir auf jeden Fall, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast und hoffe sehr, dass wir uns ganz bald wieder auf einer deiner Veranstaltung sehen können.

N: Das hoffe ich auch! 


Weitere Infos über Niebe:
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