Stefan Preston Klöbzig (Musiker & DJ)
„Es ist traurig mit anzusehen, wenn es in manchen Köpfen, in manchen Bäuchen und in manchen Herzen so hochkocht.“
Stefan Klöbzig, in seiner Branche besser bekannt als Preston, ist seit über 25 Jahren hauptberuflich Musiker. Der ehemalige Firebirds-Sänger ist das Frontschwein von Tom Twist und spielt bei Rhythm Sophie, sowie Lesly’s Dynamite, Gitarre. Im November des vergangenen Jahres gründete der 39jährige seine eigene Online-Radiostation „Radio Preston Air“. Wie es dazu kam und wie sein Blick in die Zukunft aussieht, hat er mir bei einem Bierchen in seiner heimischen Diner-Ecke, in einem sehr offenen und ehrlichen Interview erzählt.
R: Schön, dass das heute geklappt hat. Du hast dein Leben voll und ganz dem klassischen Rock’n’Roll verschrieben. Wie kam es denn zu dieser Obsession?
S: Das war gegen Ende der 80er Jahre, als ich mit einem Tennisschläger in der Hand in der Küche ertappt wurde, wie ich zu Sounds von Europe „Final Countdown“ oder was es da so alles gab, performte. Dann hat mein Vater gesagt „Ab zum Gitarrenunterricht!“. Ein bisschen später, kurz nach der Wende, kam im Fernsehappart eine Dokumentation über Elvis Presley und die habe ich gefressen, aber volles Rohr. Ich bin danach zu meiner Mutter und habe gesagt „Da gibt’s den Elvis. Das möchte ich auch machen.“ Das war für mich einfach nahbare und handgemachte Musik in Zeiten des aufkommenden Eurodance. Dann musste ich mir wirklich erstmal den Weg irgendwie frei boxen, denn es gab kein Internet, es gab keine Plattenläden in Eilenburg, wo ich herkomme, bis ich dann irgendwann mal eine Elvis-CD geschenkt bekommen habe. Damit ging alles los. Die CD habe ich noch mehr aufgesaugt, als die Dokumentation vorher. Der glücklichste Moment war dann, als irgendwann in der BRAVO ein Elvis-Poster war. Da habe ich dann irgendwann gemerkt „Ja, das isses! Ich bin jetzt richtiger Fan und ich kann das auch nach außen tragen und stehe dazu.“ Ich wusste aber schon damals, dass das anders ist, weil ich der einzige war. Ich konnte die Musik nicht teilen mit meinen Kumpels oder meiner Familie und habe das für mich allein, daheim im stillen Kämmerlein, genossen.
R: Und wie kam es dann zu den ersten Auftritten?
S: Mein Vater ist in Eilenburg ein bekannter Hund, aufgrund seiner Tätigkeit im Karnevalsclub. Da gab es eine große Bühne und ich hatte schon vor meiner Reise mit dem Rock’n’Roll dort Lieder gespielt, Covernummern wie z.B. „Kinder dürfen nicht lügen“, ein Abklatsch von „Looking for Freedom“. Somit hatte ich während des Kinderkarnevals schon meine ersten Bühnenerfahrungen gesammelt. Irgendwann, als ich in der Pubertät landete, wollte ich dann natürlich Elvis singen. ‘92/’93 durfte ich dann erstmals zu Abendveranstaltungen im ausverkauften Bürgerhaus vor ca. 500 Menschen, auftreten.
R: Wann hast du dann den Entschluss gefasst, dass du das alles hauptberuflich machen möchtest?
S: Genau zu dieser Zeit kam ein dicker, alkoholisierter Mann auf mich zu, der zu mir sagte „Kleener Klöbzig, mit dem was du machst, kannste mal Geld verdienen.“ Damals hat man natürlich keinen Deut darauf gegeben, aber ich erinnere mich an diesen Spruch heute noch. So etwas brennt sich ein. Letztendlich war es aber wieder eine Reise. Die ganze Geschichte hat einfach Fahrt aufgenommen. Ich habe meine besten Freunde dazu bewegen können, Musik zu machen und wir haben eine Schülerband gegründet, die Lollipops. Wir waren, meines Wissens nach, weit und breit die einzigen, die dem mehrstimmigen Rock’n’Roll gefrönt haben. Da gibt es Bands wie Dion and the Belmonts oder The Diamonds, deren Lieder wir gecovert und mehrstimmig nachgesungen haben. Die Musikrichtung nennt sich Doo Wop. Damit haben uns die Leute wirklich aus den Pfoten gefressen. Wir waren jung, attraktiv, gut gekleidet und konnten super singen. Das hat wirklich perfekt miteinander harmoniert. Wir waren eine eingeschworene Einheit und nicht tot zu kriegen. Dadurch wurden dann irgendwann die Leipziger Firebirds auf mich aufmerksam und haben mich dann 1998 quasi gecastet. In dem Jahr haben wir zum Honky-Tonk-Festival im Rabet gespielt mit der Begleitband The Jumblers, eine der ersten Bands in Leipzig, die mit Kontrabass rumhantierten. Kurz später kamen die Firebirds dazu, wir haben gequatscht und dann hat es nicht lange gedauert, bis ich bei denen im Proberaum stand. 1999 habe ich dann angefangen fest mit den Firebirds zu musizieren und damit mein Geld zu verdienen – und zwar sehr viel Geld, das muss ich noch dazu sagen.
R: Die aktuelle Zwangspause hast du jetzt genutzt um dir deine eigene Online Radiostation „Radio Preston Air“ inklusive eigener App aufzubauen. Wie kam es denn dazu?
S: Ich hatte als Kind schon Kassetten bespielt und mich per Mikrofon an Ansagen versucht. Die wollte zwar niemand hören, aber es hat mir schon immer Spaß gemacht, Musik auch zu transportieren. Also nicht nur im Sinne eines Musikers, sondern das Ganze auch zu vervielfältigen durch Deejaying oder damals eben Kassetten überspielen. Radio war damals in weiter Ferne. Dank der Technik heutzutage kam mir aber eines Montagmorgens die Furzidee und ich sagte mir „Jetzt googelst du einfach mal nach Online-Radiosendern.“ Dazu muss man vorher noch wissen, ich habe mich vorher schon bei Facebook im Livestreaming versucht und habe da schon als DJ hantiert und mir eine ziemlich treue Fanbase aufgebaut. Eigentlich war das alles nur ein Schnellschuss. Als ich dann aber irgendwas las von wegen „Erstelle dein Online-Radio in nur 5 Minuten“, bin ich hellhörig geworden und habe das sofort ohne Nachzudenken angemeldet. Ich habe dann direkt ein paar Musiktitel hochgeladen, bin sofort auf Promotion gegangen und habe das in die Welt hinausgetragen. Das fiel mir dann aber relativ schnell auf die Füße, denn es macht schon Arbeit. Es hat aber auch eine Menge Spaß gemacht, das Ding wachsen zu sehen und daran teilzuhaben. So ist dieser Radiosender entstanden: aus einer Schnapsidee an einem Montagmorgen im November 2020.
R: Und was erwartet deine Hörer dort?
S: Die Hörer erwartet mittlerweile – und uns gibt es ja noch nicht so lange - eine ordentliche Mannschaft an DJs und DJanes vielfältigster Art. Zu hören sind auf dem Sender alle möglichen Sparten, die die große kunterbunte Welt des Rock’n’Rolls so hergibt: Angefangen von 40er/50er Jahre Rhythm & Blues und Swing über klassischen Rockabilly, Neo-Rockabilly, der dann Anfang der 80er Jahre entstand, teilweise Psychobilly, der fast in Punk abdriftet, aber genauso auch Doo Wop mit wunderschönen Harmonien zum Träumen. Es ist also nicht beim klassischen Rock’n’Roll a la „Tutti Frutti“ oder „Jailhouse Rock“ geblieben, sondern wir tauchen ziemlich tief in die Sphäre ein. Meine DJs und Djanes haben eine Menge Know-How. Alle sind sehr musikfanatisch und unterstützen mich tatkräftig. Der Sender hat mittlerweile mehrere Empfangsmöglichkeiten. Besonders stolz sind wir da auf die Android- und iPhone-App. Wir senden 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und das alles kostenlos!
R: Woher kommen denn die anderen DJs and DJanes?
S: Die haben sich größtenteils von selbst gemeldet, weil sie das Projekt und den Sound cool fanden. Wir haben mittlerweile DJs aus dem Westen und Norden der Republik, Österreich, Frankreich und sogar aus Montreal in Kanada. Wir sind ein sehr familiäres Team, mögen und schätzen uns alle sehr und legen besonders viel Wert darauf, dass es niemals zum Zwang wird hier abliefern zu müssen, sondern es lebt ganz alleine durch den Spaß. Sonst würde das sicher auch nicht so gut funktionieren.
R: Mit deinen Bands warst du bist zu Corona eigentlich ständig in Deutschland und ganz Europa auf Tour. Wie sehr vermisst du denn die Bühne?
S: Auch der Radiosender ist ja sinnbildlich dafür, dass man ein bisschen nach außen driftet. Man will ganz automatisch Kontakt aufnehmen zu einer Bevölkerungsschicht, die sich Publikum nennt. Das ist schon unheimlich wichtig. Ich habe viel zu tun mit dem Sender, aber dieses Bühnenschaffen, das man seit über 25 Jahren inne hat, ist natürlich unersetzlich. Das kann man durch nichts kompensieren. Das geht einfach nicht. Einen Gig spielen ist ja nicht nur der Auftritt an sich, sondern man reist, ist unterwegs mit seinen best Buddies, man tauscht sich aus, man raucht, man trinkt. Es ist eine Gesamtkomposition, die einen Großteil meines Lebens ausmachte und dadurch ist dieses Wegbrechen natürlich durch nichts zu ersetzen. Man kann nur versuchen zu leben und zu überleben. Im wahrsten Sinne des Wortes ist man – und ich habe dem Wort vorher nicht viel Bedeutung zugemessen – Überlebenskünstler.
R: Jetzt hast du ja im November letzten Jahres mit dem Radio angefangen. Was hast du denn bis dahin gemacht? Wie ging es dir gerade in der Anfangszeit, als alles weggebrochen ist?
S: Wir hatten ja glücklicherweise noch einen lockeren Sommer. Ich habe, wie gesagt, im März 2020, zum ersten Lockdown, angefangen live bei Facebook zu streamen. Daraufhin bin ich dann auch als Live-DJ gebucht worden und aufgetreten auf ein paar Familienfeiern und in Clubs. Dadurch konnte ich mich den Sommer über noch halbwegs über Wasser halten. Bandbetrieb war ja gar nicht mehr möglich, bis auf ein oder zwei Gigs, ich weiß es gar nicht mehr so genau. Aber dadurch, dass ich solo tingeln konnte, habe ich mir meine Hunnis straff verdient und musste dann erst im November beim zweiten Lockdown den Finger heben.
R: Was nervt dich denn an der aktuellen Situation am meisten?
S: Die Menschen…und diese ganzen Aggressionen. Diese ganzen selbsterklärten Politikwissenschaftler und Gesundheitsexperten, das nervt mich wirklich am meisten. Ich versuche echt mit geballter Kraft Gräben zuzuschütten und gute Laune und Abwechslung in die Welt hinaus zu transportieren. Natürlich ist mir es auch wichtig nicht in Vergessenheit zu geraten, aber es entsteht am Ende alles mehr oder weniger durch Synergien. Die Leute brauchen etwas zum Runterkommen. Es ist traurig mit anzusehen, was es mit vielen Leuten macht, wenn es in manchen Köpfen, in manchen Bäuchen und in manchen Herzen so hochkocht, durch den Konsum von sämtlichen Nachrichten. Es ist nichts neues, dass ein Spalt durch die Gesellschaft geht, der eigentlich nicht sein müsste. Gerade die Leute, die das ständig anmerken, sind meist ja selbst dafür verantwortlich, habe ich das Gefühl. Ich werde teilweise schon dafür kritisiert, dass ich mich nicht dazu äußere und das geht mir richtig auf den Sack. Ich habe Respekt vor jeder Denkweise, solange sie ethisch und moralisch vertretbar ist und nicht aggressiv daherkommt. Da wären wir wieder beim Wort „Aggression“. Mich nervt am meisten die Aggression. Da werde ich gleich aggressiv. (lacht)
R: Wann hoffst du denn, dass es mit Auftritten wieder losgehen kann? Gibt es aktuell vielleicht schon irgendwelche Pläne?
S: Auch aufgrund meiner gesundheitlichen Situation, ich laboriere an mehreren Psychosen und Depressionen, ist es für mich aktuell erstmal wichtig über den Tag zu kommen. Natürlich mach ich das nicht gänzlich ohne Ziel. Ziel ist es den Radiosender weiter auszubauen. Ich hoffe natürlich nicht, dass der Lockdown noch lange anhält oder wir in neue geraten, aber ich mache mir keine Illusionen, dass es bald wieder losgeht. Damit lebe ich erstens einfacher und zweitens denke ich das auch. Es wird drei bis fünf Jahre dauern, ehe sich die Veranstaltungsbranche wieder rehabilitiert hat, wenn überhaupt. Es steht so viel in den Startlöchern momentan. Es gibt solche Begriffe wie Marktbereinigung. Wir hoffen natürlich, dass wir als etablierte Band mit dabei sind, wenn die Veranstaltungen wieder losgehen. Darüber wäre ich sehr dankbar, aber ich bin keiner, der hemdsärmelig und breitschultrig loszieht und sagt „Wir sind die Geilsten!“, aber ich bin auch keiner, der sagt „Ok, wir spielen für ‘n Appel und ‘n Ei.“ Das muss ein gesundes Gleichgewicht entwickeln und da jetzt abzuschätzen, ob das passiert oder wann das passiert, ist nicht möglich.
R: Denkst du denn generell, jetzt nicht nur auf deine Szene bezogen, dass es wieder so wird, wie es vor Corona war? Wie siehst du dem ganzen entgegen?
S: Ich denke, dass das Baby irgendwann wieder nach Hause kommt. Aber die Frage ist halt, wann. Da will ich mich zu keiner Prognose hinreißen lassen. Ich habe Angst, dass Musik, beziehungsweise Kunst allgemein, inflationär behandelt wird und die Leute dann sagen „Ihr habt doch jetzt wieder Lust zu spielen. Hier gibt’s ‘nen Hunni und dann könnt ihr wieder auf die Bühne.“ Vielleicht ist es aber auch umgekehrt, dass die Leute so jeck und geil sind, dass sie sagen „Ist mir scheiß egal. Ich will wieder Livemusik. Hier sind 5.000 Euro.“ Zusammengefasst: Ich habe Angst vor der Zukunft. Man kann keine Prognose stellen. Erwarte nichts und hoffe das Beste. Bis dahin heißt es für mich einfach überleben, gerade mit meinen psychischen Einschränkungen und meiner Familie. Das ist schwer genug. Aber sich jetzt auf Kaffeesatzleserei einzulassen, wäre nur hinderlich.
R: Da muss ich dir leider zustimmen. Vielen Dank für dieses ehrliche Interview.
Links zu Stefan Preston Klöbzig und seinen Bands:
facebook.com/tomtwistpreston
tomtwist.de
radioprestonair.com
rhythmsophie.de
facebook.com/leslysdynamite