Tino (Lichttechniker)
„Wir Lichttechniker werden massiv unterschätzt in der Wahrnehmung.“

In dieser Rubrik sollen auch Menschen zu Wort kommen, die eher hinter den Kulissen agieren. Einer von ihnen ist Tino. Der 41jährige Leipziger, der früher selbst Musiker war und Konzerte veranstaltete, arbeitet seit 2012 als Lichttechniker. Dabei war er schon bei Größen wie Sting und Status Quo oder Comedians wie Carolin Kebekus für das Licht verantwortlich, arbeitete aber auch schon mit dem Gewandhaus zu Leipzig zusammen. Wie eigentlich so der Alltag als Lichttechniker aussieht, was er der Pandemie alles Positives abgewinnen kann und wieso er mittlerweile sogar die Musik von Truck Stop feiert, erfahrt ihr im folgenden Interview. 



R: Schön, dass das heute geklappt hat. Erzähl doch mal kurz, wie kam es denn dazu, dass du Lichttechniker wurdest und dich damit dann auch selbstständig gemacht hast?

T: Das war ein ziemlicher Zufall. Wie du weißt, habe ich früher Konzerte veranstaltet und dann mit der Theater-Fabrik-Sachsen eine neue Location dafür gefunden. Ich war mit den Betreibern ziemlich gut befreundet und dann auch regelmäßig bei vielen Konzerten und Veranstaltungen als Gast da. Eines Abends hat eine Dire-Straits-Coverband gespielt, die Dire Strats. Die hatten nur ihren Tonmann mit und dann ging es darum, was denn jetzt mit dem Licht ist. Da ich schon den ganzen Tag da rumhing, kam der Chef irgendwann und meinte „Mensch Tino, mach du doch mal. Du bist doch Musiker. Du wirst da im Takt doch sicher auf den Knöpfen rumdrücken können.“ Damals war das noch relativ alte Technik und ziemlich einfach zu bedienen. So habe ich das erste Mal einen Abend am Lichtpult gestanden. Das war ziemlich cool und lief ganz gut. Es hat auf jeden Fall zum Rhythmus und zur Musik gepasst. So bin ich dann dazu gekommen, dass ich erstmal in der Theater-Fabrik hobbymäßig allgemein die Technik übernommen habe. Kurz darauf bin ich dann von meinem Job bei der Telekom weg und habe dort angefangen fest als Techniker richtig zu arbeiten. Leider ging das aber alles irgendwann den Bach runter, private Konzert- und Theaterhäuser sind halt schwer zu halten. Danach stand ich dann erstmal da und dachte mir, dann mach ich es halt auf eigene Faust. Kontakte hatte ich genug durch die Arbeit in der Theaterfabrik, beziehungsweise meine frühere Tätigkeit als Musiker und Veranstalter, und von daher ging das ziemlich nahtlos und problemlos über, dass ich dann als selbstständiger Lichttechniker arbeiten konnte.

R: Lichttechniker sind auf guten Veranstaltungen zwar extrem wichtig, dennoch ist es ein Beruf, der eher im Hintergrund abläuft. Wie sieht denn an sich dein allgemeiner Arbeitsalltag aus?

T: Dein Einstiegssatz war schon nicht schlecht. Es ist unfassbar wichtig. Wir werden massiv unterschätzt in der Wahrnehmung. Jetzt werden vielleicht alle Tonleute sagen, ich bin blöd, aber es ist so: Wenn man bei einem Konzert war und sich rückwirkend dran erinnert, hat man Bilder im Kopf. Bei diesen Bildern sieht man nicht den Ton, sondern wie sah die Bühne aus. Der Ton ist vielleicht mal nicht so gut und mal besser, aber die richtige Erinnerung sind immer erstmal Bilder.

R: Da möchte ich aber kurz einwerfen, dass wenn der Ton scheiße war, ich mich auch nicht unbedingt lange an das Konzert erinnern möchte.

T: (lacht) Ok, das stimmt auch. Aber nichts desto trotz sind Erinnerungen zu rund 70% erstmal visuell. Von daher ist das schon sehr wichtig. Als Lichttechniker hat man schon ganz schön weitreichende Funktionen. Das fängt damit an, dass man nur Licht hin- und einbaut. Dann gibt es noch die Sparte als Operator, in der man das Licht programmiert und bedient. Dann gibt es auch noch welche, die das Licht nur designen und damit Leute losschicken. Das ist halt sehr unterschiedlich. Bei mir läuft es meistens so ab: Wenn es um Konzerte geht, fahre ich erstmal mit dem LKW oder Transporter hin, dann wird der Kram mit ein paar Helfern ausgeladen und wir bauen das Licht selbst hin. Dann sitze ich am Lichtpult und mache die Show. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder drücke ich das live alles händig ab oder man kann sich auch wochenlang vorher zu Hause hinsetzen und das vorprogrammieren. Meistens geht mein Tag also früh los und endet dann irgendwann nach 0 Uhr. Also ein 8-Stunden-Job ist das nicht.

R: Als ich mich auf das Interview vorbereitet habe, ist mir aufgefallen, dass du gar keine Homepage oder sonstiges besitzt, auf der man sich ein wenig über dich bzw. deine kleine Firma informieren kann. Wie kommst du denn überhaupt an deine Aufträge?

T: In der Branche bekommt man definitiv keine Jobs, weil man eine geile Homepage oder ähnliches hat, sondern man wird gesehen oder weiterempfohlen. Man kann als Lichttechniker auch schwer auf einer Homepage darstellen, was man kann oder wie man ist als Mensch. Letzteres ist in der Branche sehr wichtig. Man muss schließlich mit allen klarkommen und gut zusammenarbeiten. Im Endeffekt geht alles über Mundpropaganda. Alles ist eine große Familie, die sich guten Gewissens weiterempfiehlt. Hörensagen ist da definitiv viel mehr wert, als irgendeine Webpräsenz oder ein Instagram-Profil.

R: Aktuell gibt es ja keine richtigen Konzerte oder Veranstaltungen. Wie hast du denn dein letztes Jahr so verbracht?

T: Erstmal viel zu Hause. Aber ganz so ist es nicht. Es gibt schon hier und da Veranstaltungen. Zum Beispiel habe ich ein paar Online-Streaming-Konzerte betreut. Das macht zwar in dem Moment Spaß, ist aber natürlich etwas komplett anderes und hat nichts mit einem Live-Konzert zu tun. Wir versuchen uns gerade alle mit irgendwelchem Online-Kram über Wasser zu halten. Da geht es los, dass man für irgendwelche Firmen Online-Events macht, wie Betriebsversammlungen, die diese ja auch irgendwie durchführen müssen. Das ist teilweise sogar aufwändiger, als ein Konzert aufzubauen, weil dann auch noch ganz viel Kamera- und Bildschirmkram hinzukommt. Also komplett ohne Arbeit war das Jahr nicht, aber ich würde sagen, ich habe 95% weniger gearbeitet. Dadurch habe ich viel Freizeit gehabt und mir neue Hobbies gesucht. Ich programmiere viel zu Hause, um mich ein wenig weiterzubilden. Dann habe ich mir noch eine Drohne zugelegt und bin ein wenig in die Videorichtung abgedriftet, filme viel und mache Fotos. Ich kann mit der Drohne teilweise sogar ein wenig Geld verdienen.

R: Allgemein betrachtet, wie geht es dir denn in der momentanen Situation?

T: Generell erstmal ziemlich beschissen, was die mentale Situation angeht. Den Job macht man nicht, weil man Arbeit braucht, den Job macht man und hält ihn auch nur durch, weil man ihn liebt. Das ist in der Branche ziemlich extrem, weil die Arbeitszeiten nicht zu vergleichen sind mit einem normalen Büro- oder Handwerksjob. Gerade auf Tour in einer fremden Stadt, bist du ja quasi den ganzen Tag am Arbeiten. Das geht von früh bis in die Nacht. Das muss man lieben, sonst steht man das nicht durch. Das fehlt mir unfassbar - das Unterwegs-Sein, das In-Hotels-Schlafen – wenn man sich daran gewöhnt hat, ist das wunderschön. Dann ist man halt mal drei bis vier Wochen unterwegs, danach dann aber auch wieder zwei bis drei Wochen zu Hause, in denen man dann ein paar kleinere Jobs macht, die eben in der Nähe sind, zum Beispiel eine kleine Bühne im Zoo oder in ansässigen Clubs. Im Hellraiser bin ich ja auch Hauptlichtmann. Das sind dann auch immer ganz nette Jobs. Da muss man nichts aufbauen. Da ist alles da, man hat sein Pult, weiß wie das programmiert ist und freut sich auf einen Abend mit ein paar coolen Bands.

R: Wie funktioniert denn die staatliche Corona-Unterstützung bei dir?

T: Die funktioniert bei mir zum Glück ziemlich gut, da ich kein Solo-Selbständiger bin, sondern eine kleine Firma habe und dort angestellt bin. Dadurch bekomme ich Kurzarbeitergeld und sämtliche Firmenunterstützungen sind beantragt worden und wurden auch genehmigt. Von daher kann ich da nicht klagen. Die Kollegen, die soloselbständig sind, haben es da sehr viel schwerer. Ich habe mich halt eingeschränkt, da nicht so viel Geld da ist wie sonst, aber das funktioniert.

R: Was nervt dich denn an dieser ganzen Corona-Thematik am meisten?

T: Am allermeisten nervt mich, dass in unserem Land fast ausschließlich nur noch die eine oder die andere Meinung regiert und gefühlt keiner mehr irgendwelche Zwischenmeinungen sagen darf. Es gibt nur noch das eine oder das andere Extrem und alles dazwischen wird nicht mehr wirklich wahrgenommen. Und natürlich nervt mich auch die Ungewissheit, dass es keine direkte Perspektive gibt. Unsere Branche ist halt die erste, die es betroffen hat und sie wird auch die letzte sein, die wieder richtig arbeiten werden darf. Da wird vorher erstmal jedes Schwimmbad oder sonstiges offen sein, aber eine Veranstaltung mit 15.000 Leuten wird wohl noch dauern.

R: Das ist wohl leider richtig. Gab es denn auch schon Momente, in denen du dich komplett vergessen und im Stich gelassen gefühlt hast?

T: In meiner Situation zum Glück nicht wirklich. Die Solo-Selbständigen, die Künstler und Musiker, die wirklich Freiberufler sind, die werden im Stich gelassen. Die haben richtig zu kämpfen und sind teilweise nicht mehr soloselbständig, sondern bekommen Harz IV oder haben sich einen neuen Job gesucht, was der ganzen Kulturszene nicht gut tun wird. Da werden einige Leute fehlen.

R: Gutes Stichwort. Mal ein kleiner Ausblick in die Zukunft: Dieses und das vergangene Jahr dürfte eine nie da gewesene Zäsur in der Kultur- und Veranstaltungsbranche bedeuten. Was denkst du, wie es weitergehen wird? Kann man vielleicht auch etwas Positives aus dieser Pandemie ziehen, was in Zukunft besser werden könnte?

T: Also was für meine Branche schon Positives passiert ist und ich hoffe, dass sich das auch weiterhin so durchzieht, ist dass die Branche allgemein zusammengerückt ist. Prinzipiell war bisher immer das Problem, dass die Branche aus unzähligen kleinen Firmen bestand. Es gibt zwei bis drei Global Player in Deutschland und der Rest sind kleine Firmen oder Solo-Selbständige. Bisher hatte da eher jeder für sich gekämpft. Man hatte zwar ein paar Firmen, mit denen man gut stand und bekannt war, aber alle anderen waren einfach Konkurrenz. Diese ganze Pandemie und das Nicht-Wahrgenommen-Werden von der Politik, inklusive der Problematik wie viele wir eigentlich sind, da wird ja immer im Hintergrund arbeiten, hat die Branche sehr zusammenrücken lassen. Damit meine ich jetzt nicht nur die Ton- und Lichtfirmen untereinander, sondern da geht es dann auch noch um Securities, um Firmen die Hands beschäftigen, also die Helfer, die auf Konzerten immer mit viel Schweiß die Trucks aus- und wieder beladen, die ganzen Caterer, und so weiter. Da gab es einen ziemlich großen Zusammenschluss durch die Gründung mehrerer Vereine. Ich hoffe, dass dieses Zusammengehörigkeitsgefühl so bleibt, die Leute dadurch besser miteinander zusammenarbeiten und die Branche sich wirklich nach außen als eins präsentiert.

R: Das ist auf jeden Fall sehr wünschenswert, dass das Bestand hat und nicht nur ein vorrübergehendes Ding ist.

T: Ich denke die Vereine und Institutionen, die sich da jetzt gegründet haben, werden das schon aufrechterhalten. Da ist viel passiert. Das wäre auf jeden Fall das Positive, von dem ich denke, das könnte unserer Branche helfen. Und ich vermute auch, dass es eine Aufwertung der ganzen Sache geben wird, dass Preisdumping dann nicht mehr so das Problem sein wird, womit man auch oft gekämpft hat. Jetzt merken die Leute ja erstmal, was ihnen fehlt. Diese Selbstverständlichkeit ist weg und ich hoffe, dass das alles ein bisschen positiv mitbeeinflusst.

R: Also stehst du dem Ganzen grundsätzlich positiv gegenüber, wenn das Gröbste ausgestanden ist?

T: Ja, weil ich aber auch grundlegend immer so optimistisch und positiv denke. Es gibt Kollegen, die gerade sehr negativ sind, aber ich sehe das halt immer anders. Ich schätze generell die positiven Dinge mehr, als die negativen Erlebnisse. Aber das muss man auch erstmal lernen.

R: Lass uns zum Schluss noch ein wenig in Erinnerungen schwelgen: Was war denn für dich dein schönstes Konzert oder deine schönste Veranstaltung, bei der du jemals fürs Licht zuständig warst?

T: Eigentlich sind 90% immer wirklich tolle Konzerte. Es gibt natürlich auch Sachen, die nicht so viel Spaß machen, wo man wirklich buckelt. Das sind dann meist so Industrie-Nummern, also wenn man für irgendwelche Firmen irgendwelchen Kram aufbaut. Was mich eventuell am Positivsten überrascht hat, war wohl das Touren mit Truck Stop. Vor der ersten Tour hatte ich da echt ein bisschen Angst vor, weil ich mir dachte „Oh je, Schlager-Country-Kram!?“. Die Band kennt man ja quasi nur von ihren drei oder vier bekannten Liedern, wie zum Beispiel der Titelmelodie von „Großstadtrevier“. Aber das sind mit die geilsten Typen, die ich in meinem Leben bisher kennengelernt habe und das mit teilweise über 70. Ich habe jetzt schon drei Touren mit denen hinter mir, eigentlich wären es vier, aber eine wurde wegen Corona auf Weihnachten verschoben, was hoffentlich stattfinden kann. Das sind jedenfalls unfassbare geile Musiker, die unsere Arbeit sehr schätzen. Wir haben uns da mittlerweile echt lieben gelernt und es macht unglaublich Spaß. Da hat sich echt eine unfassbare Freundschaft entwickelt und ich muss sagen, ich find die Mucke mittlerweile sogar richtig lustig, denn eigentlich ist das ja eher Fun-Country. Das sind mehr Spaßlieder, als dass da irgendwas ernst gemeint ist. Es ist einfach immer nur ein Fest mit den Leuten unterwegs zu sein.

R: Kam es denn auch mal zu irgendwelchen völlig unvorhergesehenen oder lustigen Aktionen bei deiner Arbeit?

T: Unvorhergesehen Situationen gibt es sehr oft. Da bekommt man zum Beispiel einen Anruf und es heißt „Hast du in 3 Tagen Zeit? Wir brauchen für eine Videoproduktion vom Gewandhausorchester einen Lichtmann.“ Das war jetzt im Dezember, also voll zur Corona-Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal im Gewandhaus sitze und dort mal Licht mache. Da ging es um eine Aufzeichnung für einen Weihnachtsgruß. Die haben dann dort mit allen Chören, dem Jugendchor, dem Kinderchor, dem Erwachsenenchor, ein Lied gesungen mit ein paar Leuten vom Orchester. Das wären dann in der Summe 100 Leute gewesen, die ja aber nie zusammen in diesen einen Raum gedurft hätten. Da wurden dann immer jeweils circa zehn Mann geholt und es wurde immer und immer wieder gedreht. Am Ende wurden dann 15 oder 16 Videospuren übereinandergelegt und im Endergebnis schaut man dann in einen vollen Raum, obwohl du weißt, dass da eigentlich nur 10 Leute waren. Das wurde aber auch so gut gefilmt, dass den Leuten schon klar wurde, dass die da nicht alle zeitgleich waren. Das war eine sehr interessante und coole Erfahrung und ein unerwarteter Moment, weil ich nie damit gerechnet hätte, so etwas mal zu machen. Lustige Momente gibt es auch viele, von denen man aber nicht unbedingt alles erzählen sollte, weil das meistens dann die Momente sind, wenn das Publikum weg ist und die Leute ihren Feierabend genießen. Da lernt man schon mal den ein oder anderen Musiker oder Comedystar persönlich und dann auch sehr lustig kennen. Aber nicht lustig wie auf der Bühne, sondern eben privat lustig. Das sind sie dann eben Menschen, wie du und ich. Gerade bei Comedians ist mir dann mal aufgefallen, was das für Schauspieler sind. Die sind privat oft völlig anders, als sie auf der Bühne sind. Da werden einem Menschen sympathisch, wo einem die Rolle vorher im Fernsehen überhaupt nicht gefiel. Ich kann da keinen bestimmten lustigen Moment rauspicken, aber würde es diese unzähligen lustigen Momente nicht geben, würde der Job nicht so viel Spaß machen und deswegen mach ich es. Ich könnte eher die unlustigen oder enttäuschenden Momente aufzählen, denn das wären nicht so viele. Es gab Künstler, bei denen ich mir dachte „Das kann doch nicht wahr sein. Im Fernsehen oder auf Konzerten denkt man immer, das sind die nettesten Menschen und dann im wahren Leben aber eine menschliche Katastrophe.“ Aber die könnte ich an zwei Händen abzählen, wenn nicht sogar an einer. Ich möchte sie aber natürlich jetzt nicht benennen. (lacht)

R: Das kannst du ja dann gleich nachholen, wenn das Aufnahmegerät aus ist.

T: Genau! (lacht)


E-Mail Tino/Songman Lightning:
songman.lightning@gmail.com