Moona Autumn
Ich mag einfach die Ästhetik von Anatomie und Totem.“

„Moona Autumn stands for art” lautet der erste Satz auf Moonas Homepage und er trifft eigentlich direkt den Nagel auf den Kopf. Seit sie in der Lage ist einen Stift zu halten, malt sie. 2016 hat sie den Stift dann erstmals auch gegen eine Tätowiermaschine eingetauscht und ganz nebenbei steht sie auch noch ab und an vor der Kamera. Bei bestem Wetter habe ich mich mit ihr und ihrem kleinen flauschigen Anhang im Park getroffen, um mich ein wenig mit ihr zu unterhalten. 



R: „Moona Autumn stands for art. Nothing more and nothing less than art. Art on paper, art on canvas, art on skin and sometimes she likes to be the object of art herself.” lautet die Einleitung deiner Homepage. Ich glaube, besser kann man dich nicht in ein paar Worten beschreiben. Wann bzw. wie hast du denn deine künstlerische Ader entdeckt?

M: Generell habe ich mich eigentlich immer schwer damit getan, mich als Künstlerin zu bezeichnen, weil ich finde, dass „Kunst“ ein sehr großes Wort ist. Deswegen habe ich diesen Einleitungssatz eher daraus gebildet, was andere Leute über mich gesagt haben. Für mich war es halt mein Leben lang selbstverständlich zu zeichnen. Seitdem ich einen Stift halten kann, habe ich das immer getan. Meine Mama hat früher auch ein bisschen gezeichnet und mir so ein paar Dinge gezeigt, zum Beispiel wie man mit Kreide einen Apfel malt oder solche Sachen. Das habe ich dann über die Zeit ausgebaut, weil ich da viel Spaß dran hatte. Wie gesagt, ich mach das schon mein ganzes Leben - da gab es nicht diesen einen Zeitpunkt.

R: Du bist ja aber nicht nur eine begnadete Zeichnerin, sondern stehst auch öfter mal vor der Kamera. Mit dem Modeln hast du 2015 begonnen? Wie kam es denn dazu?

M: Ich glaube, mein erstes Shooting hatte ich sogar schon 2014, aber das fand ich richtig kacke, deswegen habe ich das einfach aus meinem Gedächtnis und sämtlichen Onlineplattformen gelöscht. (lacht) Tatsächlich war ich eigentlich immer jemand, der überhaupt nicht vor der Kamera stehen wollte. Ich habe mich immer versteckt. Sobald irgendwo eine Kamera an ging, bin ich immer unter dem Tisch verschwunden oder so etwas. Das fand ich ganz gruselig. Aber irgendwie war ich trotzdem schon immer jemand, der ganz gerne im Mittelpunkt gestanden hat. Eigentlich eher, weil er andere Leute gerne zum Lachen gebracht hat, aber dann habe ich herausgefunden, dass das auch durch Fotos ganz gut funktioniert. Auf jeden Fall hat mich mal 2014 ein Fotograf aus Hamburg angeschrieben, den kein Mensch kennt. Der war ganz merkwürdig. Ich war damals noch sehr jung und durfte da auch nur hinfahren, weil mein damaliger Freund ebenfalls von ihm angeschrieben wurde, unabhängig von mir. Dann sind wir da zusammen hingefahren und der war wirklich ganz merkwürdig und es war auch nicht schön und dann bin ich aber trotzdem nochmal dort hingefahren und es war wieder nicht schön, Überraschung! Dann habe ich erst einmal gar keinen Bock mehr gehabt und habe das eine ganze Zeit lang sein lassen, bis ich dann von Martin (Anmerkung: von Stein) angeschrieben wurde und dann kurz drauf zu dir kam, tatsächlich. Du warst ja einer der ersten Fotografen, mit denen ich zusammengearbeitet habe.

R: Ja, das war im Februar 2016. Das habe ich extra gestern noch einmal nachgeschaut.

M: Genau. So kam das dann zustande. Und irgendwie habe ich dann auch echt Freude daran gehabt. So war das.

R: Als du anfingst, hast du relativ viel Akt geshootet, was aber nach und nach weniger wurde. War das eine bewusste Entscheidung oder kam das einfach so?

M: Ich sage immer, dass das total bewusst war. (lacht) Aber wenn ich ehrlich bin, war es das, glaube ich, nicht. Ich habe das einmal analysiert, und ich glaube, dass es ein wenig daran gelegen hat, dass ich, als ich anfing zu tätowieren, viel Gegenwind bekommen habe, und immer noch bekomme gerade von anderen Tätowierern. Die haben mir dann vorgeworfen, dass ich ja nur Follower habe, weil ich meine Titten zeige. Und ich meine, jeder der mich kennt und sieht, weiß, dass ich eines nicht habe und das sind Titten. Deswegen ist das eigentlich schonmal ein schlechtes Argument. Das ist Punkt 1 und als Punkt 2 ist das auch einfach nicht korrekt, weil ich ja schon vorher geshootet habe. Natürlich wusste ich, dass das eigentlich kein Argument ist und dass diese Aussage nur aus Neid besteht, aber irgendwie hat es mich trotzdem unterbewusst belastet.

R: Zumal deine Followerzahlen ja auch erst explodiert sind, als du mit dem Tätowieren begonnen hast beziehungsweise anfingst, deine Kunst bei Instagram zu veröffentlichen und nicht durch irgendwelche Shootingbilder. Außerdem kann ich auch, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen, was jetzt so schlimm daran ist, wenn du leicht bekleidete Bilder oder Aktaufnahmen machst, solange du Bock dazu hast. Wenn ein Typ oberkörperfrei post, sagt doch auch niemand etwas. Das sind dann oft die Menschen, die bei einem nackten Frauenkörper direkt „Sexismus“ rufen, aber gar nicht kapieren, dass sie durch genau solche Aussagen einen weiblichen Körper erst dazu machen. Zumal deine Bilder ja auch immer einen sehr künstlerischen Aspekt hatten.

M: Ganz genau! Ich denke auch, das letzte, woran man bei den Bildern mit mir denkt, ist Sex. Es sei denn man ist extrem notgeil. Also, wie gesagt, eigentlich weiß ich, dass der Vorwurf weder Hand noch Fuß hat. Aber dennoch war das eine Sache, die mich im Hinterkopf beeinflusst hat. Wenn man dann immer nur merkwürdig angeschaut wird und so viele das als komisch empfinden und einen deshalb herabstufen, hat man dann irgendwie selbst nicht mehr so viel Bock drauf. Aber ich möchte es natürlich nicht nur darauf schieben. Vielleicht kommt das auch mal wieder. Vielleicht mache ich da auch mal wieder mehr. Ich glaube, das ist momentan auch einfach so eine Phase, eine Lebensphase…

R: Ich bin, seit ich das erste Mal bei dir war und du mir ein paar deiner Arbeiten gezeigt hattest, total fasziniert von deiner Art zu zeichnen. Wie würdest du denn deinen Stil beschreiben?

M: Schwierige Frage, weil du ja quasi vor gefühlt 100 Jahren das erste Mal bei mir warst.

R: (lacht) Gut, das stimmt natürlich. Damals waren deine Werke bevorzugt im Hyperrealismus…

M: Ja, ich glaube dieses Wort habe ich dir damals eingetrichtert. (lacht)

R: Stimmt. Als du dann auch immer meintest „So gut ist das doch gar nicht. Da gibt es andere, die können das viel besser.“ und ich dachte mir nur „Das sieht besser aus, als das Foto und ist detailgetreuer!“ (lacht)

M: …was ja aber nicht ausschließt, dass andere nicht doch besser sind.

R: Richtig. Aber so gesehen gibt es ja immer irgendwo irgendwen, der besser ist…

M: Das sollte man aber trotzdem nicht unerwähnt lassen. (lacht) Damals hatte ich ja jedenfalls noch einen ganz anderen Stil. Damals habe ich nur Realismus und Hyperrealismus gemacht. Da hat man von Kreativität nicht wirklich viel gesehen, muss man ganz ehrlich mal sagen. Letztendlich ist Realismus in erster Linie kopieren, solange man es nicht mit irgendwelchen weiteren Stilrichtungen verknüpft. Ich glaube andere können das besser einschätzen, ob ich einen Stil habe oder nicht. Ich habe nämlich bis vor kurzem immer gesagt, dass ich eigentlich gar keinen habe.

R: Das kenne ich von mir beim Fotografieren. Ich höre auch immer wieder, dass man meinen Stil sofort erkennt, aber selbst nach 15 Jahren weiß ich eigentlich nicht, was genau mein Stil sein soll, weil ich auch einfach viel zu viele verschiedene Dinge immer mochte. Ich war schon immer ein Fan vom Vintage-Look, mag es aber auch gern mal trashig und wenn die Farben knallen und ich liebe genauso schwarz/weiß.

M: Ja, genau. Ich habe halt ein paar einzelne Stilelemente, die ich mittlerweile gezielt einsetze, um meinen Stil zu kreieren. Das habe ich bewusst gemacht, das hat sich nicht entwickelt.

R: Welche Stilelemente denn zum Beispiel?

M: Ich bringe häufige irgendwo konfuse Linien mit ein. Und wenn ich das mache, dann mache ich auch immer noch drei sehr geometrische dazu. Also ich schau generell, dass ich etwas Geometrisches mit reinbringe. Außerdem sind meine Bilder alle relativ düster. Das passiert mir automatisch. Also selbst wenn ich irgendetwas Schönes malen möchte, wird es trotzdem irgendwie düster. Ich weiß auch nicht…(lacht)

R: Ich kann mir bei dir jetzt auch irgendwie schwer vorstellen, dass du mal Glücksbärchis auf Regenbögen malst oder so. (lacht)

M: Einen düsteren Regenbogen in Matschfarben oder Schwarz vielleicht. (lacht) Wenn ich mit Farben arbeite, dann sind das nur Natur- oder Erdtöne. Meine Arbeiten sind generell sehr von Natur inspiriert.

R: Gutes Stichwort: Woher nimmst du denn deine Inspiration? Hast du irgendwelche konkreten Künstler, die du als Vorbild hast oder entstammen die Sachen dann doch nur deiner düsteren Fantasie?

M: (lacht) Ich weiß nicht warum, aber ich mag einfach die Ästhetik von Anatomie und Totem. Ich weiß nicht, woher das kommt. Natürlich habe ich mir immer mal Bilder von anderen Künstlern angesehen. Ich folge anderen Künstlern, also passiert das ja unweigerlich. Aber, als ich zum Beispiel in meiner Stilfindungsphase war, habe ich versucht mir extra nicht zu viele Sachen von anderen anzugucken, dass ich eben nicht wieder in das Kopieren reinkomme, was ich ja durch den Realismus gewohnt war. Ich kann halt unglaublich gut kopieren, aber das ist eben sehr gefährlich, wenn man seinen eigenen Stil finden will. Die Ideen für meine Bilder kommen schon alle von mir. Manchmal habe ich da dann so einen Moment, da denke ich mir dann im Nachhinein „Mensch, da haste aber ‘nen Moment gehabt!“ (lacht)

R: 2016 hast du dann eine Ausbildung zur Tätowiererin begonnen und dich danach 2018 damit selbstständig gemacht. Wurde es dir zu langweilig, die Kunst nur auf Papier und Leinwand zu bringen?

M: Generell war das für mich schon immer wie ein Upgrade von Papier zur Haut. Aber mit der Ausbildung habe ich dann gelernt, dass das ein komplett anderes Handwerk ist und nur wenig miteinander zu tun hat. Prinzipiell war mir bei dem Wunsch Tätowiererin zu werden eigentlich nur wichtig, dass ich einen Beruf finde, bei dem ich kreativ sein und trotzdem Geld verdienen kann. Weil ich natürlich keinen Bock habe als armer Künstler immer am Existenzminimum zu leben, nur damit ich etwas machen kann, das mir Spaß macht. Als Mensch, der zeichnen kann, kommt man dann halt natürlich relativ schnell zum Tätowieren. Damals als ich damit angefangen habe und es das erste Mal ausprobierte, hatte ich einen Exfreund, der Tätowierer war. Er war zwar ein schlechter, aber er konnte mir wenigstens so ungefähr zeigen, wie man das eben macht. Und dann warst ja du auch eines meiner ersten Opfer, die noch vor meiner Ausbildung dran glauben mussten oder wollten viel mehr. Du hast das ja freiwillig gemacht. (lacht)

R: Ich weiß auch nicht, was mich da damals geritten hat…

M: (lacht) Tut mir leid!

R: Nein, Spaß. Ich kann sehr gut damit leben. Aber als Tätowierer/in wird man doch sicherlich auch des Öfteren mit außergewöhnlichen Motivwünschen konfrontiert. Was war denn die bekloppteste Anfrage, die du je bekommen hast?

M: Das ist wirklich eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt werden und ich kann sie gar nicht beantworten, weil ich noch nie eine merkwürdige Anfrage bekommen habe im Sinne von beklopptem Motiv, sondern eher in Form von aufdringlichen Menschen. Solche Anfragen bekommt man halt ab und an mal, aber jetzt keine Motive oder Ideen, die ich wirklich bekloppt finde. Solange ich meinen Stil umsetzen kann, kann man ja auch grundsätzlich aus jeder Idee irgendetwas machen. 

R: Gibt es denn ein Motiv, dessen Umsetzung du besonders aufregend fandest?

M: Ich glaube, das erste, das ich jemals gemacht habe, weil ich da natürlich am aufgeregtesten war. Ansonsten, wie gesagt, habe ich keine wirklich „aufregenden“ Motive. Die Leute sehen bei mir ja, in welche Richtung es geht und dann kommen dann natürlich im besten Fall auch direkt mit thematisch passenden Anfragen. Also leider kann ich dir da auch nur eine unbefriedigende Antwort geben.

R: Kommen wir zu einem anderen Thema. In der Corona-Pandemie dürfte die Tätowierer/innen-Gilde wahrscheinlich eine der Branchen sein, die mit am meisten betroffen ist, neben der Veranstaltungs- und Gastrobranche. Wie sehr nervt dich die momentane Situation?

M: Sehr! Das ganze Hin und Her ist einfach extrem nervig, auch wenn das natürlich alle gleichermaßen betrifft. Es nervt, dass es keine wirklich klaren Anweisungen gibt, dass es von Stadt zu Stadt unterschiedlich ist und die Lage sich gefühlt täglich ändert mittlerweile. Es wirkt halt alles wenig durchdacht. Wir sind ja eigentlich die Branche, die vorher schon alles an Hygienevorschriften abgedeckt hat, abgesehen von den Tests natürlich. Deswegen ist es umso nerviger, dass wir nicht arbeiten dürfen, trotz aller Auflagen.

R: Wie war bei dir und deinen Kollegen im Studio die Erfahrung bezüglich staatlicher Unterstützung in dieser Zeit? Man hört ja immer wieder, dass es gerade bei Solo-Selbstständigen teilweise nicht so leicht war überhaupt an Unterstützung zu kommen und falls doch, dass diese erst ausgezahlt wurde, als es eigentlich schon zu spät war.

M: Ich persönlich hatte gar keine Probleme die Hilfe zu bekommen. Es war natürlich trotzdem später, als es ursprünglich angesetzt war. Das war alles ziemlich versetzt und sehr chaotisch. Es war schwierig das überhaupt durchzubekommen, aber ich habe zum Glück eine Steuerberaterin, die sehr engagiert war, was das Thema angeht. Ich, und auch die Leute bei mir im Studio, haben aber alle etwas bekommen. Die Studiobesitzer haben allerdings eine etwas andere Hilfe beantragen müssen und bei denen hat es dann noch wesentlich länger gedauert. Die haben nur eine Anzahlung erhalten und den Rest dann erst vor Kurzem oder sogar immer noch nicht. Da bin ich mir jetzt gar nicht so sicher. Wir kamen aber alle irgendwie über die Runden, weil einige von uns dann Guestspots in Österreich oder der Schweiz gemacht haben, wo tätowieren erlaubt war. Ein paar meiner ehemaligen Kollegen aus Thüringen hatten da aber ein bisschen Probleme, weil die erst ab Dezember nicht arbeiten durften und deswegen haben die teilweise Absagen für alle Hilfen bekommen, weil gesagt wurde „Nö, steht euch nicht zu. Ihr durftet ja im November noch arbeiten.“ Das war eben alles ein bisschen Wischiwaschi und sehr konfus.

R: Was hast du denn die letzten Monate gemacht, in der Zeit, in der du nicht deinem regulären Beruf nachgehen konntest?

M: Ich habe tatsächlich mein Privatleben ausgebaut, welches ich ja vorher nicht wirklich hatte. Ich habe mir einen Hund angeschafft, ich habe mir einen Partner zugelegt und ich habe so etwas wie Freizeit genossen. Anfangs habe ich dann noch mit Bildern nebenher ein wenig Geld verdient. Ich habe immer kleine Originale verkauft, die tatsächlich besser ankamen, als Prints. Vor Kurzem habe ich außerdem mit Twitch angefangen. Das ist eine Plattform auf der man sich, wenn man es richtig angestellt und natürlich auch Glück hat, auch nochmal etwas dazuverdienen kann. Das ist eine Sache, die ich auch nach der Pandemie noch beibehalten möchte, wenn das weiterhin so läuft, wie bisher. Also für mich sind durchaus auch positive Sachen aus dem Ganzen hervorgegangen.

R: Das freut mich doch sehr zu hören. Vielen Dank für dieses Gespräch.


Links zu Moona Autumn:
moona-autumn.de
instagram.com/moona.autumn
twitch.tv/moonaautumn